Der Jahrhunderte währende Kampf der Franzosen gegen Anglizismen

Im Rahmen meiner Untersuchungen über die französische, gesetzlich geregelte Radioquote möchte ich heute kurz auf die Grundlagen dieses Gesetzes eingehen.

Die  Radioquotierung wurde 1996 eingeführt und beruht auf dem Gesetz Nr.94-665 vom 4. August 1994, dem „Loi relative à l’emploi de la langue française“ .

«Langue de la République en vertu de la Constitution, la langue française est un élément fondamental de la personnalité et du patrimoine de la France. Elle est la langue de l’enseignement, du travail, des échanges et des services publics. Elle est le lien privilégié des Etats constituant la communauté de la francophonie.» Article 1er, Loi relative à l’emploi de la langue française (Loi Toubon)

 Als Sprache der Republik ist die französische Sprache kraft der Verfassung ein grundlegender Bestandteil der Persönlichkeit und des Kulturerbes Frankreichs. Sie ist die Sprache, die im Unterricht, bei der Arbeit, beim Austauschverkehr sowie im öffentlichen Dienst zu verwenden ist. Sie ist das bevorzugte Bindeglied zwischen allen Staaten der Gemeinschaft französischsprechender Völker.“[1]

Das Gesetz umfasst insgesamt 24 Artikel, die den Gebrauch des Französischen im öffentllchen Leben regulieren sollen und blickt auf eine lange Reihe historischer Sprachregelungen zurück, die ich im Folgenden genauer erläutern möchte.

1539 –  Ordonnance de Villiers-Cotterêts  – Die erste sprachpolitische Regelung in Frankreich wurde von König François I. im Jahre 1539 erlassen.  In Art. 111 wird festgehalten, dass das gerichtliche Handeln fortan nicht mehr in Latein, sondern in französischer Sprache zu erfolgen habe: «en langage maternel françois et non autrement». Diese Verordnung ist noch heute in Kraft (Theme, 2002, S.29).

1635 –  Gründung der Académie française  durch Kardinal Richelieu – Als weiterer sprachpolitischer Meilenstein kann die Gründung der Académie française im Jahre 1635 durch Kardinal de Richelieu angesehen werden. Der Académie wurde die Aufgabe zuteil, die französische Sprache zu reglementieren, zu pflegen und ein Wörterbuch zu veröffentlichen. Artikel 24 der Statuten lautet: «La principale fonction de l’Académie sera de travailler avec tout le soin et toute la diligence possibles à donner des règles certaines à notre langue et à la rendre pure, éloquente et capable de traiter les arts et les sciences».

1794 – Gesetz vom II. Thermidor – Einen Höhepunkt erlebte die Sprachendiskussion in Frankreich zweifellos während der Französischen Revolution. Die sprachliche Vereinheitlichung der neuen Republik wurde von den Jakobinern als zentrales Element der politischen Gleichheit (égalité) und Einheit (unité) vorangetrieben,  der Gebrauch der Dialekte, der patois, wurde bekämpft (Hartmann, 1995, S.6). Im Jahre 1794, am 2. Thermidor des Jahres II nach dem Revolutionskalender) erliess der Nationalkonvent ein Gesetz, welches den zwingenden Gebrauch des Französische als Verwaltungssprache vorschrieb. In Art. 1 heisst es: «(…) nul acte public ne pourra (…) être écrit qu’en langue française» (Theme, S.30).

Bereits während der französischen Revolution wurden auf Grund des Mangels an französischen Begriffen, die die Demokratie umschreiben, zahlreiche englische Termini in die französische Sprache integriert ( Thody, 1995, S.18). Die nachfolgende industrielle Revolution, die ihre Wurzeln  in Großbritannien hatte, sorgte dann dafür , dass wiederum im 19. Jahrhundert eine Reihe weiterer englischer Wörter aus dem Bereich der Wirtschaft übernommen wurden (Pfalzgraf, 1999, S.9). Und bereits damals wurde l’invasion des mots anglais dans la langue française kritisiert (Thody, S.14).

1964 – Sprachgesetzgebung in der V. Republik –  Loi Bas-Lauriol – Zunächst interessierte sich die französische Öffentlichkeit kaum für die Tatsache, dass ihr Wortschatz zunehmend mit Anglizismen angereichert wurde. Dies änderte sich allerdings 1964 mit der Publikation eines Buches von Sorbonne-Professor René Etiemble. Es trägt den Titel Parlez-vous franglais? und befasst sich mit dem angloamerikanischen Einfluss auf die französische Sprache. Etiemble kritisiert darin die zunehmende Verdrängung französischer Begriffe durch – wie er es nennt – «le sabir atlantique» (Thody, S.1). Zudem beklagt er den verstärkten Einfluss amerikanischer Lebensweise und sieht dadurch gar die französische Kultur bedroht (Thody, S.1; Pfalzgraf, S.9). Als Gegenmassnahme plädiert Etiemble für den Erlass von Sprachgesetzen.

1966 – Gründung eines  staatliches Komitees (Haut Comité de la langue française) , welches in der Assemblée Nationale den Erlass eines Sprachgesetzes beantragte (Pfalzgraf, S.9).Zunächst wurde lediglich eine Verordnung[2] erlassen, welche die Schaffung von ministeriellen Terminologiekommissionen regelte. Aufgabe dieser Kommissionen ist es bis heute, französische Äquivalente für fremdsprachige bzw. englische Begriffe zu bestimmen, welche dann deren Stelle zwingend verwendet werden müssen (siehe Abschnitt 3.3.5)

1975  – am 31. Dezember  trat dann das erste Sprachgesetz der V. Republik in Kraft. Die Loi n° 75.1349 relative à l’emploi de la langue française wird nach den Abgeordneten Bas und Lauriol, welche den Gesetzesentwurf eingebracht hatten, als Loi Bas-Lauriol bezeichnet (Theme, S.30). Mit dem Gesetz wurde vordergründig beabsichtigt, die Konsumenten vor Missverständnissen zu schützen, welche bei fremdsprachigen Texten entstehen können (Theme, S.31).


Einige Beispiele für die französischen Umschreibungen englischer, bei uns gebräuchlicher Wörter sind:

  • adresse de courrier électronique (E-Mail-Adresse)
  • animateur (DJ)
  • coup de pied de coin (Corner im Fussball)
  • disque numérique polyvalent (DVD),
  • en attente (Standby)
  •  fournisseur d’accès (Provider)
  • ogiciel (Software)
  • télécopieur (Fax)
  • tendance structurelle (Trend)
  • tir de réparation (Penalty im Fussball)
  • toile d’araignée mondiale (World Wide Web)

 

Literaturverzeichnis:

Hartmann, K. (1995). Sprachgesetzgebung – Massnahmen zur Durchsetzung und Reinerhaltung des Französischen. Seminararbeit, Universität München.

Pfalzgraf, F. (1999). Die Fremdwortdiskussion im Frankreich des 20. Jahrhunderts. Seminararbeit, Universität Kassel.

Theme, A. (2002). Sprache und Gesetzgeber – Grenzen sprachgesetzlicher Regelungen in Deutsch- land und Frankreich nach dem EG-Vertrag und nationalem Verfassungsrecht. Dissertation, Universität Münster. Berlin: Duncker & Humblot.

Thody, P. (1995). Le Franglais – Forbidden English, Forbidden American. London: Athlone Press


[1] Übersetzung des französischen Kulturministeriums. Quelle: http://www.culture.fr/culture/dglf/lois/loi-all.htm

[2] Décret n° 72.19 relatif à l’enrichissement de la langue française

 

One thought on “Der Jahrhunderte währende Kampf der Franzosen gegen Anglizismen

  1. Hallo Petra,

    beim lesen Deines sehr interessanten Artikels, habe ich mich gefragt, inwiefern die Franzosen sich an diese vielen Sprachregelungen tatsächlich wohl halten. Vielleicht gibt es ja Statistiken, die sich mit diesem Thema beschäftigen.
    Besonders spannend finde ich auch den Aspekt, in wie weit dieses Gesetz von 1996 sich auf das öffentlichen Leben in Frankreich auswirkt. Im Seminar hattest du ja das Beispiel mit der Nike-Werbung angesprochen, bei der jeder englisch gesprochene Satz untertitelt werden musste. Bestimmt gibt es noch weitere Fälle, bei denen die französische Sprachregelung zu starken Einschränkungen geführt hat.

    Beste Grüße,
    Shirley Ogolla